In dieser Wahlanalyse zur Europawahl 2024 werde ich die Ergebnisse auf Bundesebene, aber auch europaweit betrachten und dabei besonderen Fokus auf die Veränderungen zur Europawahl 2019 legen. Zudem werde ich nach Altersgruppe getrennt und unter Betracht der Juniorwahlen Wählerbewegungen und daraus resultierende Trends in bestimmte politische Richtungen analysieren.

Vom 6. bis 9. Juni wurde in Europa das EU-Parlament gewählt, Wahltag in Deutschland war der 9. Juni 2024. Alle deutschen BürgerInnen ab 16 Jahren hatten an diesem Tag die Möglichkeit ihre Stimme in einem Wahllokal oder per Briefwahl abzugeben. Insgesamt taten dies ganze 64,8% (etwa 40 mio. Wählende) aller Wahlberechtigten, womit einer neuer Rekordwert bei EU-Wahlen erreicht wurde, der sich um 3,4 %-Punkte von der Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl 2019 abhebt. Höher war die Wahlbeteiligung bei den Juniorwahlen, bei denen alle unter 16-Jährigen eine nicht-zählende Stimme abgaben, dort lag sie bei 75,3%. Seit der ersten Europawahl vor 50 Jahren steigt die Beteiligung stetig. Wenn ihr mehr über das Prinzip der Europawahlen erfahren möchtet, lest euch gerne durch diesen Artikel.

Wenn ihr etwas mehr über die im folgenden Text genannten Parteien erfahren wollt, findet ihr hier eine kurze Erklärung. Hinweis: Genannte Zahlen beruhen auf vorläufigen Ergebnissen, Quelle: Die Bundeswahlleiterin.
Ich beginne mit der Partei, die diese Wahl auf deutscher Ebene gewann: Die konservative Partei CDU holte zusammen mit der CSU 30% aller Stimmen und ist damit stärkste Kraft. Obwohl mit nur etwa einem Prozentpunkt Unterschied zu 2019 keine nennenswerten Dazugewinne zu verzeichnen sind, ist dies bei der Juniorwahl sehr wohl der Fall, denn dort verdoppelte sich der Stimmenanteil von 10,7% auf 20,9%. Laut der Forschungsgruppe Wahlen erachten 66% der Befragten die Arbeit der Bundesregierung als eher schlecht und etwa 30% sähen eine Regierungsbeteiligung der Union als Alternative. Diese Umfrage wird durch die ihre Wahlerfolge widergespiegelt.
Den stärksten Verlust verzeichnete eine Partei mit einer eher gegensätzlichen politischen Richtung zur Union; Bündnis90/die Grünen. Sie erreichten insgesamt nur 11,9%, womit sie im Vergleich zu vor 5 Jahren ganze 8,6%-Punkte verloren. Dieser Trend zeigt sich in deutlich ausgeprägterer Form vor allem bei jungen WählerInnen und der Juniorwahl ab; Der Stimmanteil in der Altersgruppe 16-24 Jährige verringerte sich um rund 23%-Punkte und bei der Juniorwahl sogar um 25%-Punkte. Cem Özdemir (Bundeswirtschaftsminister) sieht als Mitgrund für die enormen Verluste fehlendes Vertrauen in die Partei, was auch damit zusammenhängt, dass sie an der aktuellen deutschen Regierung beteiligt sind, die von vielen Seiten nicht ohne Kritik blieb. Die meisten ehemaligen WählerInnen der Grünen wählten bei dieser Europawahl die Union oder wählten überhaupt nicht.
Ähnliche Verluste sind auch bei einer der anderen Regierungsparteien zu erkennen, jedoch längst nicht so stark. Die sozialdemokratische Partei SPD kam 13,9% und besetzt damit 14 Sitze im Parlament. Mit -1,9%-Punkten, hält sich der Rückgang auf Bundesebene in Grenzen, in jüngeren Wählerkreisen sind eher leichte Dazugewinne zu erkennen. Bemerkenswert ist die Wählerwanderung bei der SPD: ganze 2,5 mio. Menschen, die 2019 noch rot wählten, gaben 2024 keine Stimme ab.
Die dritte Regierungspartei, FDP, erzielte mit 5,2% etwa unveränderte Ergebnisse zum letzten Mal. So auch bei der Juniorwahl mit 6,5%.
Durch ihre hohen Gewinne stach besonders die Partei Alternative für Deutschland (AfD) heraus. Insgesamt wurde sie zweitstärkste Kraft in Deutschland, nach der Union. Mit ganzen 15,9% liegt sie knapp vor der SPD und legte um fast 5%-Punkte seit 2019 zu. Vor allem punktete die AfD in der Altersgruppe der 16-24 Jährigen; bei ihnen gewann sie rund 11%-Punkte hinzu und auch bei der Juniorwahl kam die Partei auf 14,5% und gewann auch dort viele Stimmen hinzu, liegt dort aber hinter der SPD. Den meisten Zuwachs erhielt sie von Seiten der SPD und CDU.
Eine Partei, die erst zu Beginn dieses Jahres gegründet wurde und bei dieser Europawahl das erste Mal überhaupt bei einer Wahl angetreten ist, gewann direkt eher hohe Anteile: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam auf Bundesebene auf 6,2% und besetzt damit ganze 6 Sitze. Diese eher vielen Wähler kamen vor allem aus Kreisen der SPD und der Linken.
Da es bei der Europawahl keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, wurden viel auch kleinere Parteien, wie Freie Wähler, die PARTEI oder die ÖDP gewählt. Insgesamt wählten rund 12% Parteien der Kategorie „Andere“ in der Statistik der Tagesschau. Besonders junge WählerInnen zeigten Interesse daran; 28% der Stimmen der unter 25-Jährigen erhielten diese Kleinparteien, wobei sich die europanahe Linkspartei „Volt“ mit insgesamt 9% in dieser Altersklasse.

Wenn man auf die geographische Verteilung der Stimmen blickt, ist besonders die klare Abgrenzung zwischen West- und Ostdeutschland zu bemerken: Während im Westen fast überall die Union stärkste Kraft ist, ist es im Osten nur mit Ausnahme von Berlin und Umkreis die AfD.

Dies alles waren Ergebnisse auf deutsche Ebene, doch selbstverständlich wurde in der gesamte Europäischen Union gewählt. Die gewählten Parteien schließen sich dann zu Fraktionen zusammen. Diese Ergebnisse werde ich hier kurz erläutern:
Mit 190 Sitzen klar an der Spitze befindet sich die EVP, die konservative Fraktion, der beispielsweise der CDU/CSU angehören. Anschließend folgt die S&D. Diese ist sozialdemokratisch bis sozialistisch ausgerichtet und die SPD ist Teil von ihr. Mit 136 Sitzen liegt diese Fraktion um etwas weiter von der nächsten entfernt. Die liberale Fraktion Renew Europe erhält 80 Sitze, dich gefolgt von der EKR mit 76 Sitzen, die stark konservativ bis rechtspopulistisch ausgerichtet ist. Renew Europe verlor einige Sitze, EKR gewann einige hinzu. Auch mit einigen Dazugewinnen und insgesamt 58 Sitzen folgt das rechtsorientierte Bündnis ID von dem bis vor Kurzen die AfD Teil war, die dann aber davon ausgeschlossen wurde. Die Grüne Fraktion verlor, wie auch auf deutscher Ebene viele Sitze.

Generell ist eine Tendenz ganz klar zu erkennen, ob deutschland- oder europaweit, in Wählerbewegungen oder geographischen Unterschieden: Rechte und konservative Parteien nehmen zu, linke und liberale Parteien verzeichnen teils schwere Verluste. Dies spiegelt sich bei den Juniorwahlen, als auch bei den normalen Wahlen wider und zieht sich durch alle Altersgruppen, wobei besonders bei jungen WählerInnen ein starker Wandel von links nach rechts zu beobachten ist. Deutschlandfunk sieht für diesen Trend vor allem einen Hauptgrund: Unzufriedenheit mit der aktuellen Lage und der gegenwärtigen Politik und somit Regierung. Viele Menschen geben an, die AfD „aus Protest“ zu wählen. Gerade für jüngere Altersklassen wurde in den letzten Jahren „am wenigsten Politik“ gemacht worden, findet der Politikberater Martin Fuchs. Auch eine präsente Angst spiele eine Rolle; Die vielen Krisen und Kriege zur Zeit verunsichern die Menschen und insbesondere Jüngere sorgen sich um ihre Zukunft. Die AfD spielt mit ihrem Populismus genau auf diese Ängste an.

Festhalten kann man, dass sich in allen Kreisen konservative und rechte Parteien durch großen Zuwachs hervortun. Die Überlegungen rund um den oder die KommissionspräsidentIn laufen, es deutet jedoch viel auf die amtierende Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hin. Erste Entscheidungen werden voraussichtlich in den nächsten Wochen fallen.