Deutschland gilt als Hochkonsumland, trotz dessen greift die Regierung nicht ein. Welche Maßnahmen könnten getroffen werden, um die Anzahl der Alkoholsüchtigen und den durchschnittlichen Alkoholkonsum der Bevölkerung zu minimieren?

Das Licht geht aus, die Leinwand wird bestrahlt. Eine Gartenparty: gutes Wetter, gute Stimmung und Bier! Natürlich ausschließlich positiv dargestellt, untermalt von schönen, harmonischen Assoziationen und Gefühlen. Kein Wort zu den Problematiken dieser ernstzunehmenden Droge.

Nicht nur im Kino begegnet man Alkoholwerbung, auch auf Plakaten auf der Straße, im Fernsehen ect..

Wie kann das sein?

Jährlich sterben in Deutschland etwa 74000 Menschen durch Alkohol. 9 Millionen der 18-64-jährigen haben einen problematischen Alkoholkonsum und 16 Millionen sind abhängig. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal das Leid der Betroffenen in einem Bericht im Fernsehen oder der Zeitung mitbekommen. Vielleicht sogar aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis. Zusätzlich leiden nicht nur die Alkoholabhängigen an ihrer Sucht, auch die Mitmenschen sind von dem Leid betroffen. Für die Kinder und die Familie der Abhängigen ist es sehr schwer und außerdem erhöht Alkoholkonsum die Anzahl der Verkehrsunfälle, Prügeleien und Sexualstraftaten. Nicht zu vergessen sind auch die Kosten, die der hohe Alkoholkonsum für das gesamte Land verursacht, es ist nämlich extrem kostspielig: Während im Jahr 2021 etwa 3 Millionen Euro durch die Alkoholsteuer eingenommen wurden, liegen die volkswirtschaftlichen Kosten jährlich bei etwa 57 Milliarden Euro.

Bei diesen erschütternden Fakten kann man kaum glauben, wie wenig unternommen wird. Wie kann die Regierung das alles zulassen?

An dieser Stelle muss man Deutschland aber auch zu Gute halten, dass der Alkoholkonsum seit Jahren bereits sinkt.

Bei einem Report der WHO zum Kampf gegen schädlichen Alkoholkonsum schneidet Deutschland trotz dessen unglaublich schlecht ab: Beim Kriterium Aufklärung/ Politik landet Deutschland auf Platz 23 von 29, bei Prävention am Arbeitsplatz in der Kommune auf Platz 28 von 30, bei den Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer landet Deutschland auf Platz 26 von 30 und bei den Maßnahmen gegen illegalen Handel und Herstellung von Alkohol auf Platz 52 von 53. Das Erschreckendste ist die Verfügbarkeit: Hier landet Deutschland auf dem letzten von 30 Plätzen.

Klar, Alkohol gibt es in Deutschland an jeder Ecke und das für einen viel zu niedrigen Preis. Wodka wird in Kiosken an Dreizehnjährige verkauft.

Woran das liegt? Wahrscheinlich an der Alkohollobby, die in Deutschland viel zu stark ist!

Ein weiterer wichtiger Grund ist der viel zu hohe Stellenwert des Alkohols in der Gesellschaft und die Normalisierung, sogar schon Glorifizierung von Konsum in hoher Menge an Alkohol.

„Alkoholiker zu sein ist zwischen 16 und 23 Jahren völlig legitim. Das ist dann einfach Leben“, ist die Aussage eines jungen österreichischen Comedy-Podcaster auf Tik-Tok. Das Video ist das erste, was mir vorgeschlagen wird, als ich die App öffne. Sein Freund stimmt ihm zu und auch in den Kommentaren ist größtenteils Zustimmung zu finden, nur vereinzelt wird die Aussage kritisiert. Doch genau dieses mindset führt viele in eine Alkoholsucht, aus der man nicht so einfach wieder rauskommt. Denselben Umgang mit Alkohol halten sie ab 24 dann aber für Versagen, doch diesen Wechsel schaffen nur wenige. Wenn man einmal süchtig ist, kommt man nur noch schwierig raus.

Zudem hält es viele davon ab ihre Sucht zu erkennen, da es normal sei. Alkohol ist nicht nur bei jungen Menschen populär. Es ist die beliebteste Volksdroge und ein geschätztes Kulturgut. Für viele ist es aus einigen Szenarien gar nicht weg zu denken, wie bei Feiern ect..

So sagt die Barbesitzerin und Schriftstellerin Kerstin Ehmer in einem Diskurs zu einem Werbeverbot von Alkohol: „Kann man einen 40. Geburtstag mit Apfelsaft feiern? Also ich nicht!“

Des Weiteren argumentiert sie, Alkohol ermögliche als soziale Droge ein Gemeinschaftserlebnis und entspreche dem menschlichen Hang zu Euphorie und Unvernunft, der uns von Maschinen unterscheid und ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität sei.  

Ein fadenscheiniges Argument, ließe sich so doch jeglicher Drogenkonsum legitimieren.

Natürlich halte ich auch eine Prohibition nicht für sinnvoll, aber die oben beschriebene Sicht auf Alkohol in der Gesellschaft ist sehr verbreitet und führt zu sehr viel Schaden.

Dabei gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen für Maßnahmen, um die Anzahl der Alkoholabhängigen zu minimieren:

Im Moment wird in Deutschland vor allem auf Aufklärung gesetzt, die man noch weiter fördern könnte, mit verpflichtenden Veranstaltungen auf der Arbeit und an Schulen.

Außerdem könnte man ein Werbeverbot einführen, was beispielsweise bei Tabak sehr gut funktioniert hat: Der Anteil rauchender Jugendlicher hat sich seit 15 Jahren um zwei Drittel verringert, was aber natürlich nicht nur an dem Werbeverbot liegt, sondern an mehreren Maßnahmen, die getroffen wurden. Doch an diesem Beispiel zeigt sich, dass es möglich ist, den Konsum durch Maßnahmen zu verringern.

Zudem rät die WHO zu einer Einschränkung der Verfügbarkeit, dass lässt sich auf vielen Wegen gestalten: Alkohol könnte aus den Supermärkten verbannt werden und nur noch in Extra-Alkohol-Läden verkauft werden. Außerdem schlägt mein Interviewpartner Herbert Ziegler, ein ehemaliger Geschäftsführer einer Suchtklinik und ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, beschränkte Zeiten vor: z.B. ein Verbot von Alkohol nach 24 Uhr an Tankstellen. Er hält es zusätzlich für sinnvoll, keinen Unterschied zu „leichtem“ Alkohol zu machen und jeglichen Alkohol erst ab 18 Jahren zu erlauben. Auch eine Preiserhöhung bzw. eine höhere Besteuerung solle man einführen und im Verkehr solle man die Pro Mille Grenze auf 0,00 runtersetzen. „Alkoholsucht funktioniert durch das Belohnungszentrum und Dopamin, daher ist eine pädagogische Prävention ab dem Kindesalter wichtig. Jeder muss lernen Frust auszuhalten und Nein zu sagen“, erklärt er mir in dem Interview.

Dass präventive Maßnahmen helfen können, zeigt sich in vielen Ländern, z.B. Island. In den 90ern waren 48% der Jugendlichen einmal im Monat betrunken. Heute sind es nur noch 5%.

Das wurde erreicht, indem der Staat Fördergelder für Hobbies und Freizeitaktivitäten bereitgestellt hat. „Das hilft den Teamgeist zu stärken und die Selbständigkeit der Jugendliche zu fördern“ sagt ein isländischer Jugend-Fußballtrainer in einer Reportage von Galileo.

Außerdem sind die Jugendliche dadurch sehr beschäftigt und haben kaum Zeit auf der Straße rumzuhängen und sich zu betrinken.

„In Island ist es normal fünf Mal die Woche zum Training zu gehen. Das macht hier jeder so“, erklärt eine isländische Jugendliche. Sie findet das auch gut so. Außerdem hat die Politik die Aufklärung zu Alkohol und auch eine gute Eltern-Kind-Beziehung sehr gefördert. Eine Familienmutter berichtet, dass die Eltern nun viel mehr involviert seien als in ihrer Jugend. Zusätzlich zu dieser Prävention ist jeglicher Alkohol auf Island erst ab 20 Jahren erlaubt und die Verfügbarkeit wurde stark verringert. Es gibt Alkohol nur in speziellen Alkohol-Shops und es ist vier Mal teurer als in Deutschland.

Können wir weiter dabei zu sehen wie Millionen von Leben zerstört werden, ob von Angehörigen oder von den Abhängigen? Wie Familie daran kaputtgehen und Menschen verzweifeln?  Am Beispiel von Island lässt sich erkennen, dass Maßnahmen Erfolg haben können und eine Verbesserung möglich ist. Wagen wir also den Wechsel und stellen uns gegen Deutschlands Alkoholproblem. Mit jeder sinnvollen Maßnahme die getroffen wird kommen wir einem gesunden Alkoholkonsum einen Schritt näher. Ich hoffe Deutschland lernt etwas von den anderen Ländern.